Ein „Schulfach” fürs Leben
Angela Schuhmacher bringt mit dem Projekt YOURJOB Generationen zusammen – und vermittelt Jugendlichen wichtige Kompetenzen fürs Leben.
Seit mehr als 14 Jahren koordiniert Angela Schuhmacher das Projekt YOURJOB an der Goethe-Gemeinschaftsschule in Kiel. Was einst als mutiger Versuch begann, ist heute fester Bestandteil des Schulalltags – und für viele Schülerinnen und Schüler der erste Schritt in ein selbstverantwortliches Leben.
Angela Schuhmacher hat eine klare Vorstellung davon, was Jugendliche brauchen, um in der Welt außerhalb der Schule bestehen zu können: Respekt, Verlässlichkeit, Selbstvertrauen. „Ich will, dass unsere Schüler merken, dass soziales Engagement sich lohnt – dass man da ganz viel zurückbekommt“, sagt die engagierte Projektkoordinatorin.
YOURJOB ist ein sozialpädagogisches Langzeitpraktikum, das fest im achten Jahrgang verankert ist. Rund 70 Schüler und Schülerinnen besuchen über ein gesamtes Schuljahr hinweg einmal wöchentlich für 90 Minuten eine Kieler Senioreneinrichtung. Nicht als freiwilliges Projekt – sondern verpflichtend. „Das ist hier wie Mathe oder Deutsch – das gehört dazu.“
Verantwortung beginnt mit Verlässlichkeit
Der Anspruch ist hoch, der Ton klar: Wer teilnimmt, muss pünktlich und zuverlässig sein – Eigenschaften, die in diesem Alter nicht immer selbstverständlich sind. „Da ist nichts mit: Ich schreib dem Chef mal schnell per WhatsApp, dass ich später komme. Ich will, dass die Jugendlichen lernen, dass eine Verabredung gilt. Und wenn nicht, dann gibt’s eben Ärger mit Frau Schuhmacher.“
Dieser klare Rahmen ist Teil des Konzepts. YOURJOB soll nicht nur ein Einblick in soziale Berufe sein, sondern auch ein Lernfeld für persönliche Entwicklung: Verantwortung übernehmen, verbindlich handeln und mit ungewohnten Situationen umgehen.
Begegnungen, die verändern
Die meisten Schüler und Schülerinnen sind anfangs skeptisch. Seniorenheim? Gespräche mit alten Menschen? Das wirkt auf viele befremdlich. Doch mit der Zeit entstehen echte Beziehungen. Es wird gebastelt, erzählt, gespielt, zugehört – und manches Mal auch getrauert. „Wir sprechen über Demenz, über Krankheit, über den Tod. Das sind Tabuthemen – aber auch Lebensrealitäten, die man nicht ausblenden sollte.“
In speziellen Einheiten schärfen die Jugendlichen ihr Bewusstsein für die Lebenswirklichkeit älterer Menschen – etwa durch ein Rollstuhltraining oder den Einsatz eines Alterssimulationsanzuges. „Da merkt man plötzlich, wie es ist, wenn die Finger steif sind, die Sicht eingeschränkt und das Gehör gedämpft. Und wie viel Geduld und Vertrauen man braucht, wenn man selber Hilfe braucht.“
Die Wirkung ist spürbar. Viele Schülerinnen und Schüler berichten am Ende, dass sie nun geduldiger seien – zum Beispiel an der Supermarktkasse. Oder dass sie erkannt haben, wie einsam viele alte Menschen sind. „Einige sagen mir sogar: Ich dachte immer, ich habe Probleme. Aber verglichen mit dem, was manche alten Menschen erlebt haben – Krieg, Verlust, Krankheit – relativiert sich das.“
Ein Projekt mit Gewicht
Jahr für Jahr entwickeln einige Schülerinnen und Schüler ein konkretes berufliches Interesse an den Tätigkeitsfeldern, die sie im Projekt kennenlernen – sei es in der Pflege, Hauswirtschaft oder im therapeutischen Bereich. Frau Schuhmacher ist überzeugt: „Wir brauchen dringend Nachwuchs in diesen Berufen. Und viele unserer Jugendlichen haben keine akademische Laufbahn vor sich. Die müssen andere Wege kennen – und dieser hier ist einer, der Sinn macht.“
Nicht jeder Teilnehmende macht eine tiefgreifende Erfahrung. Aber viele nehmen etwas mit – manchmal still, manchmal unerwartet. „Manche erleben zum ersten Mal, dass sich jemand auf sie freut. Dass sie gebraucht werden. Und dass man ihnen etwas zutraut. Das berührt sie – und das bleibt.“
Angela Schuhmacher weiß: YOURJOB ersetzt keinen Unterricht. Aber es ergänzt ihn um etwas, das kein Lehrbuch vermitteln kann. Es zeigt jungen Menschen, dass Bildung auch bedeutet, ein Mensch zu sein – mit Haltung.
TEXT Anja Nacken / Markus Till
FOTO Mubarak Bacondo
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